Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Dienstag, 11. Mai 2021


Tag 671 der Baustelle

Der Fensteraustausch am Standort Wachenheim schleppt sich weiter dahin, so dass ein neuer Bauablauf gezimmert wurde. Der Stufenleiter schrieb allen eine aktualisierende E-Mail:

„Soeben erreichte mich die Info, dass der Klassensaal der 5a ab heute wieder nutzbar ist. Höchstwahrscheinlich ab morgen wird der Klassensaal der 5b wieder nutzbar sein. (Er muss nur noch geputzt werden. Bis Mittwoch sind die Klassensäle der 5c und 5d noch nutzbar, nach dem Feiertag werden dann dort die Fenster getauscht“.

Auffallend ist, dass die Nachricht sehr kleinschrittig ist, nur die nächsten Tage und sich auf lediglich vier Räume bezieht. Erfahrung macht klug.

In meinem Musikunterricht standen die nächsten Präsentationen an. Eine Schülerin, die heute dran war, wollte partout nicht beginnen. Ich fragte sie, ob sie mir ihr Plakat nach vorne bringen könnte. Darin willigte sie ein. Ich verstrickte sie durch einfaches Nachfragen über die Inhalte des Plakates in ein Gespräch, innerhalb dessen sie alles zu ihrem Sänger preisgab, was sie draufhatte. Die Klasse war ganz still und hörte mit. Im Grunde war es doch eine Präsentation, gefühlt für sie aber lediglich ein dem Lehrer privates Erzählen. Sie stand ja doch vorne, allerdings mit dem Blick zu mir und fühlte nicht die Augenpaare der Klasse auf sich gerichtet. Als sie geendet hatte und mir keine Rückfragen mehr einfielen, öffnete ich die Fragerunde für alle. Und siehe da: Alle Mitschülerinnen und Mitschüler hatten aufmerksam zugehört uns stellten ihr weitere Fragen, die sie souverän beantwortete. Da hatten wir alle gemeinsam eine Klippe der Angst geschickt und ungeplant umschifft – „erlöst“ ging sie an ihren Platz zurück. Vielleicht, wer weiß das schon bei solch reichhaltigen Innenleben, wird ihr diese Erfahrung Mut machen.

Als ich Deidesheim erreichte, stand ein LKW mit großen Rahmen auf der Ladefläche innerhalb der Baustellenumzäunung. Sollten das etwa die ersten Fenster sein? Allerdings war gar kein Kran zu sehen. Wie sollten die Rahmen da runtergeholt werden? Bei einem späteren Blick war der LKW verschwunden, keine Rahmen waren abgeladen…Wenn es sich denn um Fenster gehandelt hatte, waren sie nicht für uns bestimmt. Dabei gehen die Vorbereitungen weiter: Auf den Eisenwinkeln, die inzwischen ja alle angebracht und mit massiven Schrauben an der Fassade angebracht sind, liegen Vierkantrohre. Ich weiß nicht, ob sie nur obenauf liegen oder irgendwie befestigt sind. Weiß auch noch nicht, wozu sie einmal dienen. Dafür entdeckte ich wohl irgendein Lasergerät, das mit seinen Armen aus Gummi aussieht wie ein Baustellenradio. Ein rotes Lichtsignal blinkt in schnellem Wechsel auf. Da wird wohl wieder irgendeine Ebene oder eine Linie austariert und ins Lot gesetzt.

Ein Stück Normalität brachten folgende Begriffe in die immer noch von Corona beherrschte Zeit: Foto-Termin im neuen Schuljahr, Versenden der „Blaue Briefe“ und die jährlich zu erfolgende Meldung von Schülerinnen und Schülern, die bei uns abgehen, an die Berufsbildende Schule. Die Schulpflicht gilt in diesem Alter immer noch und da soll keiner „durchschlüpfen“ können.

Das (inzwischen nicht mehr ganz) neue Schülerverwaltungsprogramm wehte noch eine Mail ins Haus, welche uns etwas in Unruhe versetzte. Die Schule müsse für eine „eigenständige regelmäßige Mehrgenerationen-Datensicherung“ sorgen, welche mit den „mitgelieferten Werkzeugen des Datenbanksystems PostgreSQL“ bewerkstelligt werden könne. Hä? Das ist wieder so eine Nachricht von Fachleuten, hier vermutlich Informatikern, die davon ausgehen, dass alle Menschen dieser Welt versiert sind in Sachen IT-Vorgängen und deren Sprache und dass dies das Normalste in der Welt sei. Wir verstanden jedenfalls nur Bahnhof und jetzt muss es wieder darum gehen, jemanden zu finden, der weiß, was gemeint ist und diesen Vorgang vornehmen kann.

Ansonsten streckt das neue Schuljahr deutliche Fänge ins Jetzt: Die Zahl der Kinder mit sonderpädagogischen Gutachten, die im neuen fünften Jahrgang unterrichtet werden sollen, ist noch offen. Solange das nicht feststeht können wir auch keine stimmige Klasseneinteilung vornehmen. Auch hinsichtlich des Personals sind einige Fragezeichen noch nicht zu löschen: Welche Schwangerschaften münden wann in den Mutterschutz und wird eine Elternzeit angeschlossen und wenn ja für welchen Zeitraum? Diese Fakten werden sich wiederum auf die Zahl der Vertretungsverträge auswirken, diese wiederum bedingen den Unterrichtseinsatz. Das wird also noch eine Zeit der Spannung und der Vorbereitung erfordern, auch wenn ich die Auswirkungen gar nicht mehr miterleben werde.


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"