Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Dienstag, 20. Juli 2021


Tag 738 der Baustelle

Ist das ein seltsames Gefühl: Dreizehn Jahre lang waren die Schlüssel des Wachenheimer Standortes fester Bestandteil meines Schlüsselbundes. Nun sind sie weg, abgegeben beim Hausmeister und der Schlüsselbund verschlankt. Ich räumte heute meine Musikutensilien in Wachenheim auf, ein letzter Gang alleine durch die leeren Teamräume, deren Bau ich ja noch miterlebte, Verabschiedung bei der Sekretärin – und dann diese seltsame Erkenntnis: Wo ich so lange aus und einging, morgens, mittags, abends, während der Unterrichtszeit und in den Ferien, wo wir 2208 gestartet sind, da komme ich jetzt nicht mehr rein. Erneut ein greifbarer Schritt, der kein Zurück mehr erlaubt.

In Deidesheim wartete aber viel Arbeit auf mich. Mein Büro war bei Weitem nicht im Zustand für eine Übergabe. Aber auch dort starke Gefühle. Ich hatte ja durchaus eine Reihe von Relikten aus meiner gesamten Lehrerzeit angesammelt. Darunter etwa ein Jugendbuch mit dem Titel Es war der Hirbel, welches ich an meiner ehemaligen Schule mit meiner Klasse in Deutsch gelesen hatte. Lange bevor ich den Begriff der Schwerpunktschule kennenlernte, erschien mir dieses Buch wie geschaffen für die Arbeit mit einer Klasse, in welcher beeinträchtigte Kinder unterrichtet werden. Doch ich hatte mir fest vorgenommen, mich nicht in alte Sachen reinfallen zu lassen. Das kostet Zeit, Kraft und führt keinesfalls weiter zum Ziel eines ausgeräumten Büros. Wenn ich viel Papier dem Schredder übergab, diese Buch steckte ich in meine Schultasche. Ich wollte es auf alle Fälle nochmal lesen. Jetzt habe ich die Zeit dafür. Undankbar war ich daher nicht, dass ich immer wieder unterbrochen wurde. Zum Beispiel durch das GTS-Team. Es wollte sich eigens von mir verabschieden und schenkten mir ein Album mir vielen Fotos aus dem Ganztag. Und eine letzte Aufgabe hatten sie für mich auch noch parat. Im Flur des Nawi-Traktes, gegenüber der Wand, an der die Leinwände der Abiturjahrgänge „unseren“ „Walk-of-Fame“ bilden, haben die Ganztageskinder alle Jahrgangslogos aus Sperrholz ausgesägt, bemalt und damit eine Wand gestaltet. Von Trixi Traube bis zur Walli Woibergschneck. Jetzt hatten sie den fertigen Garry Geisbock dabei. Als letzte Tätigkeit für die Ganztagsschule sollte ich ihn an der Wand befestigen. Schöne Idee! Danke euch allen!

Auf dem Weg durch den Flur sah ich im Hausanschlussgraben die Leerrohre für Strom und Wasser liegen. Dahinter entdeckte ich einen kleinen Kreis von Personen und erkannte die Leiterin der Bauabteilung des Kreises. Das konnte nur eine Baubesprechung sein. Schnell eilte ich hinunter in den Hof – jede Ablenkung vom Räumen des Büros war mir recht. Viele Neuigkeiten erfuhr ich nicht, das heißt, ich hörte aufmerksam zu, aber mit der „abzudichtenden Dachhaut nach Lieferung der Lüftungsanlage“ und ähnlich kryptischen Aussagen konnte ich nicht wirklich etwas anfangen. Außer der, dass sich die Inbetriebnahme des Neubaus zum zuletzt genannten Termin im November durchaus noch nicht in trockenen Tüchern befindet. Aber selbst dies verwunderte mich nicht wirklich. Dann fand sich wirklich keine Entschuldigung mehr und musste nun ins Büro. Am eindrucksvollsten lässt sich diese Tätigkeit daran ablesen, dass ich zwei blaue Müllsäcke mit Papier gefüllt hatte, während Blätter mit Daten, Namen oder Ähnlichem in den Schredder wanderten. Der stoppte immer wieder. Die rote Temperaturanzeige leuchtete auf, er war immer wieder heiß gelaufen und suchte durch Anhalten der Messer etwas Kühlung. Das ist aber auch ein Haufen Papier! Bewältigt hatte ich ihn am Nachmittag immer noch nicht. „Was machst du denn ganzen Tag im Büro? Du hast doch Ferien!“, fragte meine Frau, als ich zu Hause ankam. Außer der leeren Schule spricht derzeit nichts für diesen Zeitabschnitt. Hätte ich nur früher mit dem Aufräumen begonnen. Aber da muss ich jetzt durch!


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"