Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Donnerstag, 16. April 2020


Tag 291 der Baustelle und Tag 32 der Schulschließung

Die Spannung war angesichts der Unsicherheit groß genug und gebannt wartete ich gestern auf die Pressekonferenz der Ministerpräsidentin. Nun ist es also raus: Die Schulen bleiben geschlossen und doch öffnen sie auch wieder, allerdings nur schrittwiese. Der Vorschlag des Robert-Koch-Instituts hat also Gehör gefunden: Zunächst beginnen ab 4. Mai die Klassen, die im kommenden Jahr vor einem Abschluss stehen. Die Option, am 27. April bereits zu beginnen, betrifft uns nicht, denn die diesjährigen Abiturprüfungen sind an allen G9-Gymnasien und IGSn bereits abgeschlossen. Das heißt:

Am 4. Mai werden die Schülerinnen und Schüler der Klassen 9 bis 12 wieder zu uns in die Schule kommen. Bestandteil werden die penible Einhaltung der Hygienemaßnahmen sein und eine verringerte Gruppengröße bis maximal 15 Schülerinnen und Schüler. Wie das zu bewerkstelligen sein wird, ist noch offen. Im Gespräch sind halbe Klassen, die wöchentlich wechselnd die Schule besuchen. Welche Fächer dabei im Vordergrund stehen, ist ebenfalls noch offen. Das bedeutet für uns erneut, auf die Schnelle etwas zu organisieren, was für uns alle neu ist. Immerhin gibt es die Aussage der Schulaufsicht sinngemäß: Wenn man bedenkt, dass es für alle Schulen zum ersten Mal eine Schließung gibt, haben die Schulleitungen ganz schön was geleistet und hinbekommen.

Für mich kommt erschwerend der Zeitfaktor hinzu. Wenn ich bedenke, welchen Zeitraum wir sonst zum Aufbau unserer Schule hatten und in welchen Tagesfristen wir jetzt ständig etwas aus dem Boden stampfen müssen, dann bewerkstelligten wir im Aufbau der Schule eher einen Langstreckenlauf. Dagegen ist jetzt eher die Sprintstrecke als Hindernislauf gefordert. Da ist in wenigen Tagen eine völlig andere Organisation notwendig mit unendlich vielen Fragen: Wie sollen wir die Hygienemaßnahmen, vor allem das so wichtige Händewaschen, umsetzen, wenn unsere zwölf Container nicht mal über Waschbecken verfügen? Welche Leistungen sind zu erbringen und auf welcher Grundlage wird es Jahreszeugnisse geben? Was ist mit den Klassenarbeiten? Wäre, wie oft gefordert, die häusliche Arbeit, die unter den verschiedensten Bedingungen der einzelnen Familien stattfindet, überhaupt gerecht bewertet werden? Wie ist das häusliche Arbeiten zu gestalten? Von Unterricht will ich in diesem Zusammenhang gar nicht reden, denn dieser ist für mich an Interagieren von anwesenden Personen geknüpft. Daher bin ich immer noch der Auffassung, dass eine Videokonferenz lediglich versucht, einen Zustand ersatzweise zu simulieren, der aber nicht in Ansätzen an das herankommt, was von ihm erwartet wird ist und vermutlich eher andere Bedürfnisse abdeckt, etwa Kontakt halten auf einer mehr emotionalen Ebene. Aber dies lediglich mit einem (oft verzerrten Gesicht) auf dem Bildschirm? Das wäre mit anderen Möglichkeiten tiefgreifender möglich. Mir ist auf der anderen Seite nicht bekannt, ob die Möglichkeit, mit den Lehrkräften über E-Mail Kontakt zu halten, genutzt wurde. Und immer ist dabei zu bedenken, dass die Schule als Ganzes jetzt doch nicht allen datenrechtlich erkämpften Schutz einfach mal so über Bord werfen kann. Dieses Virus trifft doch auf eine Schullandschaft, die auf solche Gegebenheiten nicht vorbereitet war. Mag ja sein, dass da über Jahre hin wichtige Entwicklungen im digitalen Bereich versäumt wurden. Aber dann ist das jetzt auch in der Kürze der Zeit nicht einfach herzustellen, als gäbe es die „bezaubernde Jeannie“ aus einer Fernsehserie meiner Kindheit in ihrem rosa Outfit, die nur mal die Arme verschränken und mit den Augen zwinkern müsste und – plopp – wären alle Wünsche erfüllt.

Heute jedenfalls traf sich das Schulleitungsteam wieder ganztägig und überlegte, was das jetzt alles für die nächsten beiden Wochen bedeutet, wie wir diese Zeit und die danach, wenn die ersten Schülerinnen und Schüler wiederkommen, gestalten werden. Ob wir da alles bedenken konnten? Kaum war eine Frage geklärt, tauchten neue auf. Schauen wir mal mit einem gesunden Maß an Gelassenheit nach vorne, denn es laufen im Hintergrund eine Menge an Überlegungen, Vorbereitungen und Maßnahmen, die nicht das Licht der Öffentlichkeit erreichen.  


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"