Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Dienstag, 22. Oktober 2019


Tag 114 der Baustelle

Es gab während meiner Zeit in Funktionsstellen immer wieder Anträge auf Befreiungen, durch welche sich Schülerinnen und Schüler einen Auslandsaufenthalt ermöglichten. Die Zahl allerdings nimmt zu und heute waren gleich drei auf einmal bei mir, die ein solches Jahr vor sich haben. Kaum etwas bereichert die Entwicklung eines jungen Menschen einschneidender als solch ein Jahr in fremden Landen, bei fremden Familien und fremden Schulen und deren Systeme.

Erstmals mussten wir dabei in die Schulbiografie der drei eintauchen, denn die Institutionen, mit welchen sich die drei in ein fremdes Land aufmachen, wollten wissen, welche Fächer sie mit wie vielen Wochenstunden in welchen Jahrgangsstufen unterrichtet wurden. Das geht nur anhand der digitalen Speicherung der Stundenpläne und der IGS-Stundentafel. Also kamen die drei zu mir und wir gingen die entsprechenden Pläne durch, zählten ab und trugen die Zahlen und Fächer in die mitgebrachten Tabellen ein. Als alle Felder ausgefüllt waren, musste natürlich der Schulleiter durch Unterschrift für die Daten geradestehen. Ein gutes Stück Bürokratie, aber ein Jahr im Ausland will verdient sein.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Ich hatte den Probealarm auf einen Termin nach den Herbstferien gelegt. Immerhin bestand die theoretische Möglichkeit, dass der vordere Hof durch die Baustelleneinrichtung nicht mehr hätte genutzt werden können und sich die Fluchtwege dadurch verändert hätten. Aber, die Baustelle breitete sich nicht aus und neuen Wege blieben die alten. Nur für den Containerblock waren erstmals neue Wege festzulegen, welche die Schülerströme insgesamt durch geschickte Aufteilung bewältigen konnten. Die neuen Fluchtwegepläne hatte ich bereits angefertigt und verschickt. Die sechste Stunde am Dienstag drängte sich dafür auf, denn durch die Projektstunden sind alle Lehrkräfte im Haus. Nach dem Alarmsignal ließ ich die Stoppuhr laufen und machte mich selbst, mit der grellroten Warnweste bekleidet, auf den Weg zum Sammelplatz. Selten bekommt man die Schülerschaft komplett zu sehen, da kommt zum eigentlichen Übung des Feueralarms eine schöne Facette hinzu. Fazit: Bei schönem Wetter war die Schule in nicht mal vier Minuten geräumt und die Fluchtwege haben sich bewährt, weil sie die Massen an Jugendlichen gut verteilten. Der Rest ist Alltag, der im Ernstfall anders aussehen wird, denn in einem Oberstufenkurs verlängerten die Betroffenen einfach die Zeit für eine Kursarbeit und schrieben einfach weiter, wieder lief eine Schülergruppe (was wegen Einsturzgefahr im Brandfall untersagt ist) zwischen der Turnhalle und dem Schulgebäude hindurch, ein, zwei Fenster blieben offen und nicht alle Klassenbücher wurden mitgenommen. Dafür klappte die Meldung der Vollzähligkeit besser und ich musste keiner Klasse oder Lerngruppe hinterherlaufen. Okay, abhaken!

Zurück am Schreibtisch, bestellte ich noch die neuen Flyer für die Oberstufe, diejenigen für die Sekundarstufe sind für die Anmeldung für Klasse fünf bereits an die Grundschulen versandt, telefonierte mit einer benachbarten IGS wegen eines Schulplatzes, erstellte noch die Einladung für die Gesamtkonferenz, verschickte sie mit den zwölf (!) Tagesordnungspunkte ans Kollegium und leitete die Bestellung der 20 Computer an den Kreis weiter, denn der Einkaufspreis übersteigt die Kompetenzen des Schulleiters.

Eine schöne Rückmeldung erhielten wir von einer anderen IGS. Zwei Schulleitungsmitglieder waren gekommen, um sich über unseren Weg bei den Schüler-Eltern-Lehrer-Gesprächen zu informieren. Sie äußerten sich rundweg positiv: Mit dem Weg über die Evaluation (auch und vor allem bei den Eltern), das Einbeziehen der Elternwünsche, die Arbeit in einer Konzeptgruppe, die Änderung in den Klassen neun und zehn bis hin zum neuen Formular, das sei ein beeindruckender Weg. Ja, das sehe ich auch so und danke allen, die ihn initiiert und daran mitgearbeitet haben!

Hmm, und da war noch die zweite Stellungnahme innerhalb zweier Wochen zu schreiben. Immer, wenn ein Brief die obere oder oberste Schulaufsicht erreicht, wird eine Anfrage durchgereicht und landet dann doch schließlich auf meinem Schreibtisch oder besser auf meinem Bildschirm. In diesem Fall durchlief die Bitte um einen Entwurf für einen Antwortbrief sechs Ebenen, beginnend beim Staatssekretär im Bildungsministerium, über die Abteilung und über das zuständige Referat, zu welcher die IGS gehört, der Schulaufsicht in Neustadt, bis sie dann bei mir landete. Und wie immer enthielt die Anfrage die Aufforderung „möglichst noch diese Woche“ eine Stellungnahme zu formulieren. Gut, dass unsere Referentin und ich kurze Wege geebnet haben, bereits zur Mittagspause konnte ich meine Stellungnahme, „von der Basis“ aus zusammengestellt, versenden. Bereits am Abend lag mir der Antwortentwurf der Referentin vor, der bereits digital in Mainz gelandet sein dürfte, wo er als „Steinbruch“ für ein Antwortschreiben genutzt werden wird, bis dann das Büro des Staatssekretärs daraus wieder eine Antwort verfassen wird, vermutlich mit viel allgemeineren Sprachregelungen, die unsere Fakten nicht mehr enthalten dürften. Ein Anruf bei mir hätte diesen aufwändigen Akt wesentlich vereinfacht und verkürzt, die Antwort wäre konkreter gewesen und vor allem wäre nur ein einziger Schreibtisch damit befasst gewesen. Diesen letzten Satz will ich gerne als Bitte verstanden wissen. Wenn ich mir überlege, wie viele (nicht schlecht verdienende) Menschen damit jetzt befasst waren (und noch sein werden), wird das eine recht teure Antwort werden, auch was sie an Zeit gekostet hat.    


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"