Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Freitag, 13. September 2019


 Tag 75 der Baustelle:

Den Ablauf kenne ich bestens: morgens richten die YA die Halle ein und „stecken“ die Bühne ab. Zuvor haben zwei Hausmeister ab sieben Uhr die Tribünenteile schon aufgebaut. Ich meine festzustellen, dass es erst der zweite Workshop dieser Truppe in der Herbst-Tour 2019 ist, denn im Gegensatz zu den Jahren zuvor, weiß noch nicht jeder „im Schlaf“, wo welche Box steht, wohin diese Kiste soll und wo die Mikrofonständer stehen sollen. Sieht alles noch etwas ungeübt aus. Gerade die Perfektion des Aufbaus hat mich die Jahre zuvor immer wieder fasziniert. Und erste Probleme gibt es zu bewältigen. Das Päckchen mit der neuen Tastatur, welches die YA seit Tagen erwarten, ist bisher nicht an der Schule angekommen. „George, do you have any Keyboard? Can we use it?“ Aber sicher doch, antwortete ich und holte eine Tastatur aus dem Computerraum. Später dann: „George, we can’t print. Can we try it in your office?“ „We can try it“, lautete jetzt meine Antwort. Ein Dokument, auf einem amerikanischen Laptop der Marke Apple, in Wachenheim getippt, auf einen privaten USB-Stick gezogen und am schuleigenen Gerät ausdrucken? Ob das funktioniert? Doch ohne allzu große Tricks konnte ich die PDF-Datei öffnen und der Drucker spuckte das entsprechende Dokument aus. Faszinierend.

 

Dann musste ich schnell nach Deidesheim. Etwa eine Stunde muss die Truppe „unbegleitet“ arbeiten. Der liebe Kollege, mit dem ich die Verantwortung und Organisation seit zehn Jahren teile, ist noch im Unterricht. Mich hatte der Leistungskurs Sozialkunde 13 geladen. Dieser Oberstufenkurs hatte das Thema Föderalismus behandelt, gerade zu der Zeit, als sich Bund und Länder über den Digitalpakt stritten. Was lag näher, als Vertreter des Landkreises einzuladen und genau das zu diskutieren und zu erfahren, wie der inzwischen die gesetzlichen Hürden genommene Pakt auf der kommunalen Ebene umgesetzt wird. Heute stand nun der seit langem ausgemachte Besuch in meinem Terminkalender, denn natürlich soll der Schulleiter dabei sein, wenn der Schulträger eigens ins Haus kommt. Dass an diesem Tag die YA da sein werden, stand natürlich nicht im Kalender des Landkreises. Ich durfte eine faszinierende Stunde miterleben, welche in viele juristische Kniffe und Voraussetzungen, Berechnungsgrößen und Verteilerschlüssel einführte. Jaja, so einfach ist das gar nicht, wenn man die Nachrichten in die Realität umsetzen muss und die vielen Faktoren, Bestimmungen und Einschränkungen kennen lernt. Da sind Zahlen nicht einfach eins zu eins umzurechnende Größen, sondern geben lediglich einen Schlüssel an, nach welchem etwa Geld verteilt werden soll. Ich verabschiedete mich etwas vor der Zeit, denn die Assembly-Show für Kurzentschlossene, die mit den YA um zwölf Uhr durch die Wachenheimer Halle rauschen sollte, wollte ich nicht verpassen. „Halt, Georg! Da ist ein Päckchen für die YA angekommen. Es ist gestern im Jugendtreff gelandet. Willst du das mitnehmen?“ – „Und ob, die warten schon drauf!“. – „How Awesome,! Thank you, George!“, entfuhr es dem strahlenden Gesicht der Company-Managerin. Obwohl ich es lediglich von Deidesheim herüberfuhr, schrieb sie es erlöst mir zu. Na, denn.

Es wird eines der Mysterien der YA bleiben, wie sie es immer wieder schaffen, in Sekundenschnelle die Schülerinnen und Schüler zu begeistern. Wenn Musik im Spiel ist, die Körper vollendet exakt dazu tanzen und singen, wenn auf die Kids zugegangen wird und Begeisterung vorgelebt wird, wenn mit Power und Energie, aber auch anrührend zart gesungen wird, genau dann und dadurch springt das Feuer dann über. Vielleicht auch, weil all das live vor den eigenen Augen und so nah geschieht. Einfach so, mal kurz vor dem Mittagessen – Wahnsinn! Aber nach vier Workshops könnte auch die Aussage passen: lediglich professionell gespielt. Aber dennoch wirkt es ansteckend und tatsächlich meldeten sich noch über zehn Schülerinnen und Schüler an, die den Anmeldezettel mit nach Hause nahmen und zum Start um fünfzehn Uhr wieder hier sein wollten. In zwei Fällen regelte ich die Zusage der Eltern auch per Telefon. „Jaja, bezahlen können Sie auch noch morgen früh, kein Problem! Hauptsache, ich habe ihr Einverständnis, wenn im Moment auch nur mündlich.“ Pünktlich lieferte der Caterer die 40 Essen für die Tänzer, die, fast lässt sich sagen traditionsgemäß, in der Mensa ihr erstes Essen zu sich nehmen.

Wie immer stellte ich anschließend mit den dagebliebenen Schülerinnen und Schülern die Biergarnituren auf. „Aha, habt ihr Schulfest?“ fragte bei diesem Anblick ein den abkürzenden Weg über den Schulhof nehmender Rentner. Um halb drei öffnete ich Anmeldung und Kasse. Die Ungeduld, bis es endlich losging, war kaum zu bändigen und der Jubel groß, als endlich die Tür zur Sporthalle Einlass gewährte. Alle Teilnehmer mussten durch ein Spalier der YA laufen und jeder wurde mehrmals mit „highfive“ abgeklatscht, so dass die Stimmung gleich zu Beginn schon überzulaufen drohte. Wie die das immer wieder schaffen, ganz irre!

Uns plagte derweil ein anderes Problem. Einer der jungen Amerikaner hatte seltsame Pickel oder Pusteln auf Unter- und Oberarm. Verdacht auf Windpocken? Das könnten alle gerade richtig gut gebrauchen zum Start der Herbsttour. Jetzt finde mal freitagnachmittags einen Arzt, um ein fachmännisches Urteil zu erhalten! Und doch gab es ihn oder besser sie und wir konnten mit dem jungen Mann gleich vorbeikommen. Auch das fällt so in den Arbeitsbereich der Betreuung und nicht zum ersten Mal und: Gut, dass wir jetzt zu zweit waren! Ergebnis: Also Windpocken sind es auf keinen Fall, „die sehen anders aus“. Allergie oder Bettwanzen, die gerade wieder im Kommen sind, kommen in Frage. Die könnten auch im Bus mitgebracht worden sein. Holla, die Waldfee, die YA sind noch drei Monate damit unterwegs! Durch eine Salbe verblassten aber die merkwürdigen Pickel und für niemanden war es mehr ein Problem.

Mir selbst blieb kaum Zeit, den Start des Workshops mit zu bekommen, denn die Vorbereitungen für den „little Snack at 5 am“ waren zu treffen. Da wird bei uns immer gegrillt. Dazu stellten sich Helfer aus dem Kollegium ein. Also den neuen Grill des Fördervereins aus dem Keller holen, Holzkohle drauf und durchglühen lassen. Sind die Brötchen jetzt da? Pünktlich um 17 Uhr sollten die Würstchen fertig sind, möglichst alle 200 auf einmal. Klappte nicht ganz, so dass die aus Vitamingründen gelieferten Äpfel zum Teil schon vorab verköstigt wurden. „That‘s amazing, George! Tanks a lot!“, hörte ich erneut. Wie oft habe ich das jetzt schon gehört? Ist denn alles amazing oder awesome? Was gelten diese Worte? In dieser Häufigkeit fallen sie auf und nutzen sich ab. Sind auch sie vielleicht „nur“ professionell eingesetzt? Oder muss ich das einfach unter „american way of Live“ einsortieren? Wenn sie am Sonntagabend im Bus sitzen, ist davon nichts mehr übrig, so meine Erfahrung.

Und wieder staunten beim Abholen die Eltern, welch ein „Drive“ hier herrscht und was die Kinder und Jugendlichen alles bereits heute eingeübt haben. Und die lieben Gasteltern! Alle, die ich sprechen konnte, sind glücklich bis begeistert über ihre Gäste. Auch dieser Punkt läuft also zum fünften Mal gut. Alles ein gutes Zeichen für den weiteren Verlauf! Einige Gasteltern „schleppten“ ihre amerikanischen Gäste noch auf die Wachtenburg. Mittelalterliche Steine? „How awesome!“


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"