Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Montag, 12. Juli 2021


Tag 730 der Baustelle

Ich hatte es befürchtet: Corona, Gesundheitsamt und Schule, das passt nicht recht zusammen, das wird ungemütlich und das wird Stress verursachen. Und genauso fühlte sich das heute an. Vorsorglich habe ich mich vom Unterricht befreien lassen, um vor Ort alles regeln zu können. Gleich morgens suchte ich den Kontakt zum Gesundheitsamt. Klar: Kontaktnachverfolgung, Quarantänemaßnahmen, Info-Briefe, Kurs- und Adresslisten und das an einem Tag, an welchem das Sekretariat mit den Zeugnissen eh völlig „ausgebucht“ ist. Erneutes Nachfragen und schließlich das Ergebnis des Amtes: Der komplette Jahrgang muss einen PCR-Test machen, nein, nicht im Gesundheitsamt, nicht in einem Testzentrum. Ein Team kommt dazu eigens in die Schule. „Können Sie eine Testung im Freien organisieren, möglichst überdacht?“. Da kommt bei uns nur der aufgestelzte Bereich unter im Durchgang in Frage. Tische, Stühle und Abfallbehälter mit dem Hausmeister absprechen, Zeitraster erstellen mit fünf Schülerinnen und Schüler im Abstand von 15 Minuten. „Können Sie die Info-Briefe des Gesundheitsamtes an die Familien weiterleiten?“ Da steht was von vierzehntägiger Quarantäne drin, das beträfe auch die erste Ferienwoche. Nachfragen, Unmut, Unverständnis. „Muss der Test bezahlt werden?“, „Was ist mit den Zeugnissen? Was mit der Schulbuchausleihe?“, „Wieso müssen die Schülerinnen und Schüler, die doch in Quarantäne sind, in die Schule kommen?“, „Weshalb hebt ein negativer Test die Quarantäne nicht auf?“. Fragen über Fragen, dabei ist die Schule doch nur ausführendes Organ, die Stelle, die entscheidet ist das Gesundheitsamt, das streng die Vorgaben des Infektionsschutzgesetzes umsetzt. Es hörte nicht auf, so dass wir noch am Nachmittag einen erläuternden Brief an die Eltern verfassten. Er sollte wenigstens die höchsten Wellen glätten helfen.

Dann die Meldung: Bei einem Selbsttest in Wachenheim in Jahrgang 5 erschien ein positives Ergebnis auf dem Plastikplättchen. Also ab in ein offizielles Testzentrum. Umstellen der Zeugniskonferenzen auf die digitale Form. Was ist mit der geplanten Personalversammlung? Die Sechstklässler wollen doch morgen zu dem für sie neuen Standort wandern. Geht das überhaupt? Keiner kommt ins Gebäude. Hinwandern geht. Dienstbesprechung zur Verabschiedung von ausscheidenden Kolleginnen und Kollegen? Geht nicht, wird ebenfalls ausgesetzt. Niemand will sich eine Woche den Sommerferien irgendwelchen Risiken aussetzen und damit den endlich wieder möglichen Urlaub gefährden. Junge, Junge, so ein Tag hat es in sich, zumal ab 13 Uhr ein digitaler Austausch mit dem Ministerium seit Wochen mit den entsprechenden Zugangsdaten für die Videokonferenz in meinem Kalender stand. Diese Sitzung plante ich von vorneherein von zu Hause aus. Das Büro in der Schule bietet für eine solche Sitzung nicht die notwendige Ungestörtheit. Natürlich verpasste ich den pünktlichen Beginn – und trotzdem waren zuvor nicht alle Fragen geklärt – und stabil war die Verbindung auch nicht. Ich sag mal so: Wer IServ gewohnt ist mit seiner Stabilität, der ist wegen der technischen Unzulänglichkeit anderer Anbieter verwundert. Ich bin allein dreimal „rausgeflogen“ und musste dem „Konferenzraum“ jedes Mal neu beitreten. Ich hielt mich ziemlich bedeckt, denn alle Fragen, die dort behandelt wurden, werden mich nicht mehr betreffen. Dagegen registrierte ich mir bekannte Schulleiter-Kolleginnen und Schulleiter-Kollegen, mit denen ich über Jahre zusammengearbeitet habe, mal mehr, mal weniger. Wie bei dem digitalen Elternabend der neuen Fünftklässler stellte sich mittendrin dann doch Wehmut und Sentimentalität ein. Ja, ich lasse da ein ganzes Stück meines Lebens hinter mir. In der abendlichen Mail einer Mutter las ich die Worte: „Ich schaue auf viele tolle Schuljahre meiner Kinder zurück, auf tolle Gespräche mit dir. Welch ein Glück, dass ich unsere beiden Kinder zu deiner Zeit an deiner Schule hatte. Danke, dass du so oft für uns da warst“. Oh ja, auch ich empfinde diese dreizehn Jahre als großes Glück und Dank erfüllt mich ebenfalls! Auch wenn es Tage wie heute gibt, an denen ich Zeitdruck, Stress und unbegründete Kritik erfahren muss. Aber das gehört eben zum Gesamtpaket eines Schulleiters.


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"