Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Mittwoch, 26. Mai 2021


Tag 683 der Baustelle

Für die erste Ferienwoche hatte ich mich mit unserer Referentin verabredet, um die Personalplanung für das kommende Schuljahr etwas weiterzutreiben. Auf Grundlage des vorläufigen Gliederungsplans gingen wir Zahlen, Namen und Stunden durch, addierten, nahmen vorhersehbare Änderungen in den Blick, korrigierten, nahmen hier hinzu und strichen dort. Am Ende wird sich die Zuweisung von Lehrkräften daran entscheiden, ob ausreichend Schülerinnen und Schüler die zehnte Klasse besuchen. Sinkt die Zahl auf 90, springt der Gliederungsplan um und wir erhalten lediglich die Stunden für drei Klassen. Das wird nochmal spannend und sich letztlich erst am Tag der Zeugniskonferenzen entscheiden.

Auf dem Rückweg aus Neustadt fuhr ich noch in der Schule vorbei. Klar, in den Ferien konnte ich wieder hinten den Hof anfahren. Aber was war das? Da steht ein großer Baucontainercontainer im hinteren Hof, so einer, wie ich ihn bei den Abrissarbeiten vor zwei Jahren sah. Die Tür zum Heizungskeller stand weit offen, Rohrstücke aus Metall lagen herum. Ich blickte durch die offenstehende Tür in den Heizkeller hinein und sah vier Männer, die sich an einem runden Tisch das Mittagsvesper schmecken ließen. Da sie kaum Deutsch sprachen, zettelte ich auch kein größeres Gespräch an und wünschte „Guten Appetit!“. Ansonsten gähnte die Schule in ihrer Leere dahin. Nur auf der Ostseite waren Aktivitäten auszumachen. Manitou hob gerade wieder einen Fensterrahmen hoch. Jetzt war mir klar, wie die Fensterrahmen auf die Südseite gelangen. Ich dachte, sie würden auch auf der Rückseite von außen nach oben transportiert und stellte mir schon die Frage, ob das Baugerät wieder unseren Fluchtweg durchpflügen wird.  Jetzt beobachtete ich, wie ein Rahmen bis an die noch leere, bis auf den Boden reichende Öffnung im Treppenhaus hochgehoben wurde. Dort nahmen es Hände und Arme entgegen, die quasi aus dem Beton wuchsen und zogen es durch die große Öffnung in den Rohbau hinein. Klar, das sind Aluminiumfenster, die wiegen ohne Glasscheiben nicht allzu viel. Dann entschwand der Rahmen meinen Blicken. Er wird jetzt wohl von starken Armen durch den kommenden Flur an die vorgesehene Fensternische getragen. Auf demselben Weg, so der Hausmeister, haben auch die Gestelle mit den Glasscheiben den Weg ins Innere des Gebäudes gefunden. Dort wurden sie mit einem Hubwagen, Ameise genannt, in das entsprechende Klassenzimmer transportiert. Sie werden wohl noch immer dort stehen, denn noch keine Glasscheibe, doppelt und dreifach verglast wegen der Energieersparnis, hat den Weg in einen der eingebauten Fensterrahmen gefunden. Wie ich mir sagen ließ, wird dieser Vorgang, sind einmal alle Rahmen an Ort und Stelle, recht schnell vollzogen werden können. Dann wird es wohl mit der Dämmung weitergehen. Dicke Dämmplatten liegen bereits stapelweise auf dem Hof.

Schließlich im Büro angelangt, ich war nicht gekommen, um die Baustelle zu inspizieren, fand ich unter anderem das Protokoll der letzten Baustellenbesprechung vor, diejenige, die mich in die Geheimnisse von Manitou einweihte. Ich überflog die Worte lediglich, denn sie betreffen mich ja kaum. Dennoch stellten sich bei manchen Sätzen gedanklich Kommentare ein, nicht immer ernst zu nehmende: „Die Betonkosmetikarbeiten stehen noch aus“. Betonkosmetik? Die Kosmetikstudios öffnen doch gerade erst und bitte nur mit Test. – „Die Lehrrohre für die Elektrozuleitung sind nicht beim Elektriker und nicht beim Rohbauer ausgeschrieben.“ Ein Ausschreibungsfehler? Das hatten wir doch schon. „Die Elektroleitungen werden direkt ins Erdreich verlegt“. Soso, na wohin denn sonst. – „Der Blitzschutz wird auf Wunsch der Bauherrschaft auf die Fassade montiert. Dies widerspricht der Planung des Architekturbüros“. Nochmal Kosmetik? Hauptsache der Blitz schlägt nicht ein! – „Die waagerechten Lüftungskanäle dürfen erst nach der Elektromontage isoliert werden.“ Aha! Und die senkrechten? – „Die sichtbaren Heizleitungen werden durch den Maler grundiert und lackiert.“ Na, von wem sonst? Etwa vom Schreiner oder Friseur? – „Die Rohrisolierungen werden in den Pfingstferien ausgebaut.“ Die sind im Heizungsraum schon dran, wie ich beim Ankommen feststellte, also, wenn sie fertig gegessen haben.

Sonst der übliche Werbekram in den Umschlägen, nichts Bewegendes, nicht mal Probestück ein Kugelschreiber mit dem Schriftzug der Schule, so dass ich nur noch einen inzwischen freigeschalteten Vertrag ausdruckte und wieder nach Hause fuhr. Noch im Flur klingelte mein Smartphone. Der Architekt war dran. Er wollte wissen, wann die metallenen Feuertreppen auf der Südseite erbaut wurden. Das war bereits zu meiner Zeit, als der letzte Anbau fertig gestellt wurde, also 2009. Ob es irgendwelche Schwierigkeiten damit gab, also Unfälle oder so. Ich verneinte, berichtete auch vom jährlichen Probealarm, bei welchem die Treppen zeigen können, wie wichtig und stabil sie sind. Der Architekt musste wohl mit der Gemeindeunfallversicherung diskutieren, ob diese Stahlgestelle noch in Ordnung sind oder neu gebaut werden müssen. Nun kann es durchaus sein, dass ich die Baukosten durch meine Informationen gesenkt oder zumindest Ausgaben eingespart habe und keiner wird es merken.


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"