Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Mittwoch, 10. Februar 2021


Tag 781 der Baustelle

Still ruht der Rohbau, nach langem Regen, jetzt in Eis und Schnee, trist und grau ragt der Beton in die Höhe, nichts passiert, nichts geht voran. Da wunderte ich mich über die Baubesprechung, die dennoch stattfand. Jedenfalls sah ich Menschen mit Ordnern, Papieren und Plänen außen am Bauzaun stehen, also keine Handwerker.

Ich selbst nahm auch an einer teil heute. Allerdings am Standort Wachenheim und wegen einer wesentlich geringeren Baumaßnahme. Bereits in zwei Wochen soll es losgehen: Der Standort erhält im Zuge der energetischen Sanierung komplett neue Fenster. Diese „Operation“ wird am offenen Herzen bei Schulbetrieb stattfinden und will daher genau geplant werden. Immerhin sind zwei Schulen und alle Räume, einschließlich der Treppenhäuser davon betroffen, aus denen diese tristen Glas-Beton-Steine verschwinden werden. Also: Die Nordseite ist zuerst dran. Dort liegen nur ein Klassenzimmer der Grundschule und die verschiedenen Verwaltungsräume. Müsste also gehen. Im Obergeschoss der Kunstsaal und der Computerraum – müsste auch passen. Problematischer wird die Südseite werden, denn dort liegen die Klassenräume. Der Unterricht wird daher in andere Räume verlegt werden, sofern sie vorhanden sind – vermutlich tageweise neu geplant, denn Verzögerungen gibt es immer. Enge Feinabstimmung wird dazu vonnöten sein. Wenn es so laufen wird, wie heute besprochen, kommen wir da gut hin und aneinander vorbei und bis nach den Osterferien soll alles fertig sein. Das heißt: Ob die neuen Fensterbänke dann auch schon drin sein werden, steht noch auf einem anderen Blatt. Schade, jetzt im Fernunterricht wäre das alles besser zu stemmen gewesen. Aber lange geplante, genehmigte und ausgeschriebene Bauvorhaben gehen nicht Hand in Hand mit den Maßnahmen der Landesregierung angesichts einer Pandemie.

Apropos: Der Fernunterricht wird fortgesetzt, vielleicht bis zum März, je nach Infektionsgeschehen. Oh Mann, wie verrückt läuft dieses Schuljahr nur weiter. Seit Mitte Dezember kein regulärer Unterricht, kaum jemand in der Schule. Das Zuhause-Arbeiten stößt immer mehr an seine Grenzen. Es erfordert von so vielen Menschen ungeheures Durchhalten. In erster Linie von den Schülerinnen und Schülern. Da ist ja nicht nur das „einsame Arbeiten“ zu Hause, es fehlt die Vitalität, der Austausch, das Miteinander, was den Unterricht in einer Klasse doch ausmacht. Die Eltern, die sich immer mehr an Grenzen geführt sehen angesichts sinkender Motivation bei ihren Kindern, müssen jetzt schon monatelang Dinge stemmen, die, zumindest schulisch, nie ihre Aufgabe gewesen waren. Hinzu kommt in vielen Fällen der eigene berufliche Stillstand oder gar Ungewissheit und immer mehr auch finanzielle Ängste. Allen fehlt das „normale Leben“. Von einem Schüler weiß ich, dass er formulierte: „Mir fehlt einfach ein ganzes Jahr Leben“. Und heute die Entscheidung: Der Fernunterricht und der Lockdown gehen weiter! Haltet durch, wo immer ihr gerade seid und wie immer ihr gerade „drauf seid“. Es wird sicher für uns eine Zeit nach der Pandemie geben!

Ich selbst erlebe diese Zeit als anspruchsvoller. Obwohl der Terminkalender nicht viele Eintragungen enthält, irgendwie laufen mir die Tage durch die Finger, ohne dass ich genau weiß, was ich denn getan habe. Das sind so viele Einzelheiten zu klären, einzelne Fragen zu beantworten, Portale zu pflegen und Telefonate entgegenzunehmen. In diesen Tagen kommen nun die Nachfragen und Widersprüche hinzu. Die ersten liegen bereits in Schriftform vor und müssen ja beantwortet werden. Also gilt auch für mich: Durchhalten!

Auf der anderen Seite birgt diese Zeit ja auch Interessantes. Wie viele neue Begriffe tauchen da urplötzlich auf, von deren Existenz ich nichts wusste und die ja vielleicht Neuschöpfungen sind. Allein die drei Unterrichtsformen des Hybridunterrichts (kam bisher nur bei Autos vor), der Fernunterricht im Gegensatz zum Wechselunterricht. Auch Begriffe wie Novembergeld, Impfstraße, Impfstrategie und Vakzin begegneten mir bisher nicht, ganz zu schweigen von den Masken: die Alltagsmaske aus Stoff, die medizinische OP-Maske und was ist der Unterschied zwischen einer KN93 und einer FFP2-Maske? Dann noch die Werte wohl aus Statistik und Epidemie-Forschung: Der R-Wert, die sieben-Tage-Inzidenz pro hunderttausend Einwohner, ganz neu für mich auch die Aerosole. Eine herrliche Neuschöpfung hörte ich in der Wettervorhersage: Statt Schneefall hieß es dort plötzlich schmunzelnd: „Der kräftige Flock-Down wird die nächsten Tage anhalten!“


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"