Schulleiter a.D. Dumonts Tagebuch

Montag, 11. Mai 2020


Tag 316 der Baustelle und Tag 8 der schrittweisen Schulöffnung

Die zweite Etappe der schrittweisen Schulöffnung stand heute an: die Gruppe der Woche B kam erstmals zur Schule zurück. Natürlich hieß das wieder, dass die Tutor/-innen in den ersten beiden Stunden die gleiche Belehrung und Einweisung vollziehen mussten wie vergangenen Montag. Auch die Masken des Landes wurden wieder gruppenweise abgeholt, alles ganz ähnlich der Erfahrung in der letzten Woche. Allerdings fiel mir gleich auf, dass dieser Teil der Klassen es irgendwie von vorneherein lockerer anging, weniger Betroffenheit, weniger Ernst, aber auch weniger Bedrückung. Gleich in der ersten Pause musste ich den Mindestabstand und das Tragen der Masken auch in der Pause anmahnen.

Sollten die kleinen Lockerungen gleich diese Unbeschwertheit mit sich bringen? Oder wirken sich hier bereits die Demonstrationen gegen die Einschränkungen durch die Pandemie aus? Gestern Abend ließen wir die Küche angesichts des Muttertages kalt und bestellten in einer Gaststätte unser Abendessen. Es war allerdings noch nicht fertig, als ich ankam, sodass mich der Wirt in ein irres Gespräch verwickelte. Es gäbe gar keinen Virus, das sei alles von den Reichen inszeniert, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. Auch die Impfungen wären rundweg verlogen, denn es ginge doch nur darum, so viele Frauen wie möglich zu sterilisieren, damit die Bevölkerung schrumpfe und dadurch besser beherrschbar wäre. Wie entsteht solch ein wirres Zeug? Wo gibt es auch nur Anzeichen dafür, solche Theorien aufzustellen? Jede Argumentation meinerseits war sinnlos, weil ich den Mächtigen mit meiner Gegenmeinung nur auf den Leim gehen würde. Ich würde schon sehen, wohin das alles führe. Ich erlebte einen völlig verbohrten und unzugänglichen Gesprächspartner, der nichts von mir gelten ließ. Selbst die jetzt anstehenden Erleichterungen konnte er nur als bewusstes Täuschungsmanöver abtun und die Tatsache, dass er ab Mittwoch seine Gaststätte wieder öffnen dürfe, passte nur als zusätzliche Finte der Geldmafia in sein zerzaustes Gedankenkonstrukt. Ganz seltsam, wenn ein Gesprächspartner auf kein Argument eingeht und alles Gesagte ins Gegenteil verkehrt, so als hätte er eine Rhetorikschulung absolviert, die ihm diese Winkelzüge eingetrichtert hat. Eigenes Gedankengut konnte das doch alles nicht sein, oder etwa doch? Wo ist die Aufklärung Kants geblieben, die den Gebrauch der eigenen Vernunft forderte? Vermutlich haben diese Verschwörungstheorien ihren Ursprung aber irgendwo tief innen, wo der Verstand aufgrund verschütteter Wege keinen Zugang mehr hat. Umso wichtiger erscheint es mir, solche Zugangswege auch im Unterricht frei zu halten. Jugendliche sind in solchen Dingen noch ansprechbarer!

Zwei zusätzliche Baucontainer stehen seit heute auf dem Hof. Allerdings in einer völlig anderen Ecke, als es die grellen Linien und Beschriftungen hatten vermuten lassen. Seltsam. Aber vielleicht kommen ja noch mehr. Mittags sah ich dann Landvermesser, die durch ein auf ein dreibeiniges Stativ aufgesetztes Messgerät schauen, nach rechts und links winkten und dann hölzerne Pflöcke in die künftige Baustelle einrammten, die oben farbig markiert sind. Beim Straßenbau, wie gerade an der Abfahrt in Deidesheim, habe ich dies als erste Markierungen immer wieder gesehen. Aha, so groß wird anscheinend die auszuhebende Baugrube. Das sieht ja immer mehr so aus, als würde es bald losgehen!

Am Nachmittag traf sich die Mediengruppe, um ein zukunftsträchtiges Konstrukt abzustecken. Das korrigierte Medienkonzept war an die Schule zurückgekommen mit Dutzenden von Anmerkungen, Hinweisen und Ergänzungsanforderungen. Wir hatten uns dazu Unterstützung vom Medienzentrum in Neustadt geholt und ließen uns einweisen, was das Konzept noch enthalten soll und wie man die einzelnen Spalten und Tabellen am besten ausfüllt. Wie oft bin ich zu Zeiten der Schulschließung nicht auf den Digitalpakt angesprochen worden, dort wären doch Gelder für die digitale Ausstattung der Schulen bereitgehalten worden und wieso wir nicht damit arbeiten würden. Jedem einzelnen Kritiker hätte ich heute die Teilnahme gewünscht, denn wir sind an diesem knapp zwanzigseitigen Konzept dran, das erstmal zu erstellen ist, um dann damit Geld überhaupt erst beantragen zu können. Dann ist immer noch kein Cent da. In den Medien hört sich das immer so einfach an: Wir statten Schulen für die Zukunft aus nehmen dafür Millionen Euro in die Hand!


Die bisher erschienen Bücher sind erhältlich im: www.littera-verlag.de/Bücher
(Das Autorenhonorar kommt dem Förderverein der IGS zu Gute.)

Tagebuch_6 Soeben erschienen
„Schulleiters Tagebuch 6,
Die Baustelle und Corona“
2021


Letztens 2 „Letztens 2 - ,
Erlebtes rund um die Schule“
2020

Tagebuch 5
„Schulleiters Tagebuch 5,
Warten auf den Bau“
2017 – 2019

Letztens 1 „Letztens –
Schulleiters Tagebuch ergänzende Kolumnen“

tagebuch_4_ "Schulleiters Tagebuch 4,
Der Weg zum Abitur
2014 - 2017"

Tagebuch 1-3"Deshalb IGS -
Positionen und Hintergründe zur Integrierten Gesamtschule mit Beiträgen aus Schulleiters Tagebuch 1 bis 3"

Tagebuch 3 "Schulleiters Tagebuch 3,
Die ersten Abschlüsse,
2012 - 2014"

Tagebuch 2 "Schulleiters Tagebuch 2,
Der Start in Deidesheim,
2010 - 2012"

Tagebuch 1 "Schulleiters Tagebuch,
Der Start in Wachenheim,
2010 - 2012"